Spiel der Hinrunde: Wie Werder den BVB doch noch schlug
Manchmal geschehen in Fußball Dinge, für die es keine herkömmlichen Erklärungen gibt. So auch am 20. August 2022, als Werder Bremen in Dortmund ein verloren geglaubtes Spiel noch gewann. Unser Spielt der Hinrunde 2022/23.
Nach dem bitteren 2:3 gegen den Aufsteiger aus Bremen war die verbale und mediale Aufregung in und um den Ballspielverein Borussia aus Dortmund mal wieder groß. Schnell wurde die mittlerweile schon berüchtigte Frage nach der Mentalität gestellt. Und überhaupt: Wie soll man jemals wieder die Bayern zu einem spannenden Meisterschaftskampf herausfordern, wenn man doch solch sichere Punkte abgibt.
Die Anhänger der Schwarz-gelben sollten sich allerdings nicht zu sehr grämen. Insbesondere diejenigen, die verständlicherweise zunächst extrem enttäuscht waren, da sie selbst ins Stadion angereist sind, können im Nachhinein behaupten, dass sie bei etwas besonderem dabei waren.
Lange Zeit sah es nach einem – das Wort sei bewusst gewählt – extrem gewöhnlichen Spiel aus. Wieder mal hatte der BVB einen vermeintlich schwächeren Gegner vor beeindruckender Heimkulisse weitestgehend im Griff. Die Bremer hatten sich zwar recht emsig bemüht, doch getroffen hatte nur das Team mit den Hochveranlagten in den eigenen Reihen. Julian Brandt und Raphaël Guerreiro hatten beide jeweils von außerhalb des Strafraums eingenetzt.
Anschlusstreffer eigentlich nur eine Fußnote
In der Wahrnehmung sämtlicher Zuschauer konnte es eigentlich nur eine Fußnote sein, als Lee Buchanan in der 89. Minute den Anschlusstreffer markierte. Kaum Zweifel, dass jeder, der es mit Schwarz-Gelb hielt, mal wieder nicht übermäßig begeistert aber doch zufrieden nachhause tingeln würde.
Doch der Aufsteiger hatte andere Pläne. Über 500 Tage war der letzte Bundesliga-Sieg von Bremen zu diesem Zeitpunkt her. Doch hatten die Grün-Weißen, die an diesem Tag in ihren lachsfarbenen Auswärtstrikots aufliefen, schon an den ersten Spieltagen schon zwei wichtige kurz vor Abpfiff erzielt. So dann auch in der 93. Minute im Signal Iduna Park, als Amos Pieper noch einmal in den Strafraum flankte und den Kopf von Niklas Schmidt fand – 2:2.
Schon dieses Ergebnis wäre eine Sensation gewesen und alle Werderaner hätten sich diesen Tag für lange Zeit gemerkt. Schon dieses Ergebnis hätte in Dortmund für mehr als nur Verstimmung gesorgt. Doch im Fußball geschehen eben manchmal Dinge, die nicht zu erklären sind. Und wie Ergebnisse manchmal kippen können, obwohl sie eigentlich zementiert schienen, weiß jeder, der diesen faszinierenden Sport eine Weile ausgeübt hat.
Ob es Psychologie ist, Glück, tatsächlich Mentalität oder eine Kombination aus alledem – wir lieben Fußball, weil eben nicht alles planbar ist. Und nur so lange dies so bleibt, werden wir den Sport lieben. Normalerweise dürfte ein prominent besetzter Kader wie der Dortmunder keine Probleme haben, einen Zwei-Tore-Vorsprung gegen das etatmäßig deutlich schwächer aufgestellte Werder zu verteidigen. Rutschen dann doch mal einer oder sogar zwei durch, so müsste zumindest dieser eine Punkt mitgenommen werden. Das sollte man von hochbezahlten Kickern wie den Westfalen doch erwarten können – theoretisch.
Vielleicht in Wahrheit schon zu sehr durch den Ausgleich demoralisiert, startete der BVB in der 96. Spielminute nochmal einen Angriff – wohl in der Hoffnung, nun doch wieder zurückschlagen zu können. Doch der Ball wurde abgefangen und blitzschnell in die Spitze gespielt. Der eingewechselte Oliver Burke war komplett allein auf weiter Flur. Doch die drei WM-Fahrer Süle, Schlotterbeck und Kobel wirkten allesamt wie gelähmt. Als laste ein tonnenschwerer Druck auf ihnen, während Burke alles aus sich herausholte und den Ball aus spitzem Winkel zum umjubelten Siegtreffer einschlagen ließ.
Noch nie zuvor in der Bundesliga hatte ein Team ab der 89. Minute noch einen Zwei-Tore-Rückstand gedreht. Dieser historische Sieg setzte bei den Bremern Kräfte frei und trug sie ein Stück weit durch die Hinrunde.
Trotz des fantastischen Spiels, dass der BVB einige Wochen später gegen die Bayern bot, ist dieses Mosaikstein der Fußballgeschichte für uns das Spiel der Hinrunde.
Foto: AFP