Zum Todestag von Robert Enke – Die Biografie des Torwarts
Gestern war der elfte Todestag von Robert Enke. Ein Jahr nach dem Selbstmord des Torwarts schrieb Ronald Reng, Autor und persönlicher Freund von Enke, dessen Biografie „Robert Enke – Ein allzu kurzes Leben“. Herausgekommen ist eines der besten Fußballbücher überhaupt. Weil es mehr ist, als ein Fußballbuch.
Die Nachricht von Robert Enkes Freitod erschütterte im November 2009 nicht nur Fußballfans in Deutschland. Die Bundesliga verlor nicht nur einen tollen Sportler, sondern auch einen beeindruckenden Menschen. In Interviews hatte Enke stets gefasst gewirkt. Einer der intelligentesten, eloquentesten und integersten Bundesliga-Profis. Man hatte stets das Gefühl: Bevor Enke sich zu Äußerungen hinreißen lassen würde, die ihm später leidtäten, würde er lieber gar nichts sagen.
Was für ein feiner Mensch und kollegialer Fußballer Enke war, zeigt unter anderem das beeindruckende Protokoll von Florian Fromlowitz, seines Stellvertreters bei Hannover 96. Nach Enkes Tod und im Zuge der Trauerfeier im Hannoveraner Stadion wurde das Thema „Depression“ massiv in den Fokus gerückt. Die Frage nach mentaler Gesundheit im von Dauerdruck gekennzeichneten Profifußball wurde erstmals großflächig diskutiert.
Ronald Rengs Biografie trägt einen schlichten Titel, den auch viele andere Biografien tragen könnten. Wahrscheinlich wäre dies im Sinne des stets bescheiden auftretenden Spielers gewesen. Das Cover passt dazu: Es zeigt den Torwart geschwitzt und mit reichlich Erde und Rasen im Gesicht. Das Buch stellt einen Mann vor, der das Spiel geliebt hat, nicht jedoch den Druck, der mit dem Profisport einherging.
Mönchengladbach: Aufstieg zum Profi und traumatischer Abstiegskampf
Enkes Entdeckung in Jena und sein Wechsel in den Profibereich Ende der 90er Jahre wird nachgezeichnet. Das beschauliche Mönchengladbach, vermeintlich eine gute Station, um sich zu entwickeln, war für Enke bald mit einem hohen Stressfaktor verbunden. Enke, der schon als junger Mann zurückgezogen und ländlich mit seiner Frau Teresa lebte und in seiner Freizeit lieber in einem örtlichen Sportfachhandel mithalf, als das Nachtleben unsicher zu machen, musste durch Fügungen des Schicksals gleich in seiner ersten Saison als Stammtorwart ran.
Der Traditionsverein aus Mönchengladbach hatte in diesem Jahr eine katastrophale Abwehr und stieg ab. Zahlreiche spektakuläre Paraden des hochbegabten Nachwuchs-Keepers konnten daran nichts ändern. In zwei aufeinanderfolgenden Spielen gegen Leverkusen und in Wolfsburg kassierte Enke zusammen 15 Gegentore. Es gehört zu den dunkleren Stunden, dass Enke anschließend zur Vertragsverlängerung gedrängt wurde.
Als ihm ein Ultimatum gestellt wurde und Enke sich gegen eine Verlängerung entschied, wurde ein Exempel an ihm statuiert. Als die Borussia dem Abstieg entgegentrudelte, wurde sein Abschied öffentlich gemacht und Teile der Fans beschimpften den damals 21-Jährigen als „Judas“.
Zehn Jahre mit Angst im Fokus der Öffentlichkeit
Die Verantwortung, die mit der besonderen Position des Torwarts einhergeht, sportliche Misserfolge und die Verachtung vieler Anhänger: All das ging an einem sensiblen Menschen wie Robert Enke nicht spurlos vorbei. Die größte Stärke des Buchs von Ronald Reng ist in diesem Zusammenhang die Nähe, die es schafft. Der Autor hat sich intensiv mit den engsten Vertrauten unterhalten, darunter seine Eltern, seine Ehefrau, Berater Jörg Neblung sowie Marco Villa, sein bester Freund unter den Mitspielern.
Der Leser bekommt einen Einblick in die hohen Belastungen, die Enke zeitlebens verspürte: sein erster psychischer Zusammenbruch bei Vertragsunterzeichnung in Lissabon. Die Entscheidung, es trotzdem durchzuziehen. Vertraute Gespräche mit dem deutschen Trainer Jupp Heynckes. Der Wechsel nach Barcelona, wo der empfindsame Enke inmitten hochdekorierter Titelsammler unterging. Sein späterer Aufstieg zur tragenden Säule und zum Mannschaftskapitän bei Hannover 96. Den Tod seiner Tochter und die ständige Angst, wegen der Depressionen das Sorgerecht für seine Adoptivtochter zu verlieren.
Zehn Jahre im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen und seine Krankheit verheimlichen zu müssen. Und dazu immer wieder die bohrende Angst, Flanken nicht adäquat abzufangen und Gegentore zu kassieren. Von einer ganzen Kurve ausgepfiffen zu werden. Schlechte Schlagzeilen zu bekommen. Der Mann, der es bis zum Nationaltorwart schaffte, fragte seinen Vater in einem Zwiegespräch: „Fändest du es schlimm, wenn ich mit dem Fußball aufhören würde?“. „Robert Enke – Ein allzu kurzes Leben“ ist ein unfassbar wichtiges Buch. Lesenswert nicht nur für Fußballfans. Jederzeit.