Die Zeit noch nicht reif? Ein Plädoyer gegen Sexismus und Macho-Gehabe im Fußball

Schattensilhouette eine Damen Fußballteams

Noch immer hält sich eine latente oder weniger latente Frauenfeindlichkeit im Fußballgeschäft. Das zeigen unter anderem die unangenehmen Machosprüche, die Waldemar Hartmann zuletzt in einem Interview von sich gab. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.

Die Reporter-„Legende“ Waldemar Hartmann wurde von der Deutschen Welle im heimischen Wohnzimmer angeskyped, um als sogenannter Experte ausführlich Stellung zu dem desaströsen Auftritt der Nationalmannschaft in Spanien zu nehmen. Da wurde er plötzlich gefragt, ob denn auch eine Frau als Nachfolgerin von Bundestrainer Joachim Löw infrage kommen würde.

„Nachfolge von Löw? Vielleicht als Werbeträger für Nivea!“

Damit hatte „Waldi“ nicht gerechnet. Der Ex-Schnauzbartträger wirkte ob dieses Affronts geradezu geschockt, so als habe man auf der Jahreshauptversammlung eines bayerischen Kleingärtnervereins eine Runde Strippoker vorgeschlagen. Locker, wie er ist, reagierte Hartmann darauf erstmal mit einem zünftigen Herrenwitz: „Meinen Sie als Bundestrainer? Ich hätte gedacht, vielleicht als Werbeperson für Nivea.“ Und um dem Bengel am anderen Ende der Leitung derartige Flausen auch wirklich auszutreiben, bellte Waldi hinterher: „Nicht nur Deutschland ist dafür noch nicht reif. Ich bin es auch nicht.“

Zwei Fußball-Trainerinnen mit dem Rücken zur Kamera
Wieso sollten Frauen keine Herren-Mannschaft trainieren können? Waldemar Hartmann bleibt die Erklärung schuldig.

Ein trauriges Statement eines Mannes, der offenbar noch in einer gestrigen Welt festhängt. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob derzeit eine Trainerin in Sicht ist, die das Anforderungsprofil erfüllt, um die Herren-Nationalmannschaft zu coachen. Dann müsste man aber zumindest definieren, aus welchen Parametern dieses Profil denn bitteschön besteht. Prophylaktisch sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch Herr Löw vor seinem Engagement beim DFB weder als aktiver Spieler noch als Vereinstrainer internationale Erfolge im Herrenbereich vorzuweisen hatte. Was also würde eine Frau von der Erfüllung der Bundestrainer-Pflichten abhalten? Ein fehlendes Y-Chromosom doch wohl kaum.

Die Nationalmannschaft als letztes männliches Sakrileg?

Abgesehen von der vermeintlichen onkelhaften Witzigkeit, die Hartmann bei seinem sexistischen Statement an den Tag legt, verstört vor allem die Endgültigkeit, mit der er glaubte, ein für ihn offenbar absurdes Thema zu den Akten legen zu können. Man fühlte sich an Papst Benedikt erinnert, der auf die Frage, ob denn bald auch Frauen zum Priesterseminar zugelassen würden, einst erklärte: „Diese Tür ist zu.“

Für Männer wie Hartmann scheint die Herren-Nationalmannschaft ein Sakrileg, ein Refugium, in welches das fremde Geschlecht nicht eindringen darf. „Wir haben ihnen doch schon die Managerposten gegeben. Nun sollen sie uns wenigsten die Mannschaft lassen.“ Eine solche Weltsicht suggeriert zum einen mal, dass die Zustände im und um den DFB derzeit besonders schützenswert wären. Schaut man sich jedoch das schlechte Image des Verbandes sowie die kollabierenden Einschaltquoten bei Länderspielen an, gelangt man zu dem Ergebnis, dass gar nicht genug Strukturen aufgebrochen, nicht genug Steine umgedreht werden können. Kurz gesagt: Der Veränderungsdruck ist größer, als dies bei so manchen ehemaligen Sportschau-Moderator bislang angekommen ist.

Zum anderen zeigen solche Äußerungen, wie oft Frauenfußball immer noch in die Gedöns-Ecke gestellt wird. Getreu dem Motto: „Schön, wenn sie ein bisschen herumhopsen, aber wirklich ernst nehmen müssen wir das Ganze nicht.“ Dabei sollte sich eigentlich längst herumgesprochen haben, dass der Frauenfußball sich insbesondere im technischen und taktischen Bereich in den vergangenen Jahrzehnten enorm professionalisiert hat. Ob auf Vereins- oder Länderspielebene: So manche Kombination würde man gern auch mal wieder in annähernder Qualität von Jogis Jungs sehen.

Fußballerinnen müssen viel mehr in die eigene Karriere investieren

Vielleicht müssten Männer wie Waldemar Hartmann auch einmal daran erinnert werden, dass die durchschnittliche Profi-Spielerin auf dem Weg zu ihrer Karriere deutlich größere Hürden zu nehmen hat, als ihr männliches Gegenüber. Schon in der Jugend müssen Mädchen im Durchschnitt deutlich weiter anreisen, um den nächstgelegenen Verein zu erreichen, denn längst nicht jeder Dorfklub hat eine eigene Mädchenmannschaft. Im weiteren Verlauf müssen junge Frauen ohne hochgejazzte Nachwuchsleistungszentren und gut bezahlte Engagements schon in den Jugendmannschaften auskommen.

Nur, um einmal eine Vorstellung zu bekommen: Silvia Neid, die die deutsche Frauen-Nationalmannschaft als Cheftrainerin zu einem Welt- und zwei Europameistertiteln führte, musste während ihrer aktiven Karriere in den 80er- und 90er-Jahren nebenbei als Fleischereifachverkäuferin und Auslieferungsfahrerin in einem Blumenhandel arbeiten. Später absolvierte sie noch eine Ausbildung als Großhandelskauffrau. Als sie 1989 als Spielführerin mit Deutschland den ersten EM-Titel holte, erhielt sie als Prämie ein 41-teiliges Kaffeeservice.

Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Doch solange Fußballexperten in den Medien noch ohne rot zu werden öffentlich mit Machosprüchen um sich werfen dürfen, ist klar: Es ist noch viel zu tun. In Deutschland und auch bei Waldemar Hartmann.

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