Gonzalo Castro: Vom Abstellgleis auf die Alm
Ein halbes Jahr war Gonzalo Castro ohne Verein, bevor er sich in der Winterpause der Bielefelder Arminia anschloss. In Ostwestfalen setzt man auf die Erfahrung des Routiniers, der über 400-mal in der Bundesliga aufgelaufen ist und auch Einsätze in den europäischen Klubwettbewerben sowie der Nationalmannschaft vorweisen kann. Am vergangenen Wochenende rettete Castro seinem neuen Team einen Punkt und konnte so seine Untervertragnahme bereits ein Stück weit rechtfertigen.
Castros Verpflichtung war in gewisser Hinsicht typisch für einen Verein, der nach der ersten Saisonhälfte ernsthaft um den Klassenerhalt fürchten muss. Akut abstiegsbedrohte Klubs suchen im Winter häufig nach gestandenen Profis, die ihnen in der nervenaufreibenden Rückrunde mehr Stabilität verleihen. So auch die Arminia, die als Tabellenvorletzter überwinterte.
Mit Castro zauberten die Verantwortlichen einen höchstinteressanten Namen aus dem Hut. Der 34-Jährige hat eine beeindruckende Vita vorzuweisen. 16 Saisons hat er in Deutschlands höchster Spielklasse verbracht. Mit Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund spielte er Champions League. Im BVB-Trikot gewann er zudem den DFB-Pokal. Außerdem schaffte er mit dem VfB Stuttgart in der Saison 2019/20 den direkten Wiederaufstieg aus dem Unterhaus.
Auch fünf A-Länderspiele für Deutschland hat Castro absolviert. Der Sohn spanischer Einwanderer wäre für die Furia Roja ebenfalls spielberechtigt gewesen, entschied sich aber für den DFB. Diese Wahl wurde früh mit einem Titel belohnt: Im Jahr 2009 wurde er mit der deutschen U21-Auswahl Europameister.
Retter in der Not
Mit Castros Meriten ist in Bielefeld natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung verbunden. Er gilt als technisch beschlagener Spielmacher und Standardspezialist. Seine Vielseitigkeit ist ein weiterer Trumpf: Wenn Not am Mann ist, kann er auch die Position des Außenverteidigers bekleiden.
Angesichts seiner fehlenden Spielpraxis war allerdings eine längere Eingewöhnungszeit zu erwarten. Immerhin hatte Castro seit dem vergangenen Mai kein Bundesligapartie mehr bestritten. Deshalb wurde er bisher zweimal erst in der Schlussphase eingewechselt.
Am vergangenen Sonntag reichte ihm allerdings sein Kurzeinsatz, um den Ausgang des Spiels mit einer einzigen Aktion maßgeblich zu beeinflussen. Die Arminen lagen auf der Bielefelder Alm gegen Greuther Fürth mit 1:2 zurück. In der 83. Minute gelangte der Ball zu Castro, der ihn mit herrlicher Schusstechnik aus rund 20 Metern in die Maschen beförderte.
Schon für den geretteten Punkt im Abstiegsduell gegen den direkten Konkurrenten hat sich Castros risikolose Verpflichtung gelohnt. Sein Vertrag läuft zunächst bis zum Saisonende – mit Option auf Verlängerung. Wenn es bei ihm wieder für längere Einsätze reicht, könnte sich Bielefeld einen Schlüsselspieler im Kampf um den Klassenerhalt gesichert haben.
Foto: AFP