Systemabsturz – Deutschland verliert mit 0:6 in Spanien
Die deutsche Nationalmannschaft verliert mit 0:6 in Spanien. Im letzten Gruppenspiel der UEFA Nations League legt Löws Team einen Offenbarungseid ab. Darüber ist zu reden.
Gestern veröffentlichte kicker-freunde.de einen Artikel mit dem Titel „Vor zehn Jahren: Als Deutschland gegen Spanien chancenlos war“. Gemeint waren die bitteren Endrunden-Niederlagen 2008 und 2010. Deutschland, in beiden Fällen kurz vor dem Titelgewinn, musste sich der spanischen Jahrhundert-Mannschaft zweimal geschlagen geben und verlor jeweils mit 0:1. Trotz des denkbar knappen Spielstands war die Überlegenheit der Iberer in beiden Fällen deutlich.
Anno 2020 waren die Voraussetzungen eigentlich andere. Die spanische Dominanz hat sich mittlerweile deutlich entspannt. Die damaligen Stars der Spanier sind mittlerweile fast alle zurückgetreten – teilweise nur aus der Nationalmannschaft, teilweise haben sie gar komplett ihre Karriere beendet. Der amtierende Champions League Sieger heißt weder Real Madrid noch FC Barcelona, sondern FC Bayern München.
Ob Standards oder Konter – Spanien erzielt die Tore spielerisch leicht
Und dann das. Mit dem 0:6 in Sevilla scheint ein neuer Tiefpunkt für die Nationalmannschaft erreicht. Nach dem schockierenden Vorrunden-Aus bei der WM 2018 und zahlreichen schwachen Spielen im Anschluss kassierte Deutschland nun die höchste Niederlage seit 89 Jahren.
„Ein rabenschwarzer Tag“ sei es gewesen, so Bundestrainer Joachim Löw im Anschluss. Das kann man kaum anders sagen. Und doch suggerierte die Darstellung des Bundestrainers, dass es sich lediglich um einen unerklärlichen Systemabsturz handle, der eben mal passieren könne. Fakt ist aber, dass sich trotz einiger lichter Momente ein schleichender Niedergang in den vergangenen Monaten angekündigt hat.
Eine solche Bauchlandung hingegen konnte niemand erwarten. Obwohl Löw einen Totalausfall von 1 bis 11 attestierte, kann man Torwart Manuel Neuer eigentlich für keinen Gegentreffer einen Vorwurf machen. Zu sehr war er im Stich gelassen von der Defensive, die auch kicker-freunde.de in den vergangenen Monaten immer wieder als Schwachpunkt identifiziert hat.
Konsequenzen für Löw?
Bislang unbekannt war, dass Deutschland auf einmal auch derart anfällig bei gegnerischen Standards ist. Zwei der Gegentreffer fielen nach Eckbällen. Dies sind Situationen, die sich eigentlich durch Training und Organisation vermeiden lassen. Der Tiefpunkt war aber wohl das 4:0, als sich Spanien mit spielerischer Leichtigkeit vom eigenen Strafraum nach vorne kombinierte. Wenige, simple Pässe brauchte es, um die deutsche Abwehr in eine hoffnungslose Unterzahl zu bringen. Der Dreifach-Torschütze Ferran Torres hatte allein vor Neuer leichtes Spiel.
Natürlich wird über Konsequenzen diskutiert. Nach dem blamablen Aus 2018 staunten viele nicht schlecht über die Selbstverständlichkeit, mit der Löw sich im Amt hielt. Nicht viele leitende Angestellte haben eine derart unumstößliche Jobgarantie, scheinbar völlig unabhängig von jedweder Krise. Ob sich dies nun bestätigt, bleibt abzuwarten. Die erwartbare Frage von ARD-Moderator Matthias Opdenhövel nach einer Rückkehr von Müller, Boateng und Hummels wiegelte der Bundestrainer ein weiteres Mal ab. Allerdings lässt sich bezweifeln, ob die drei Weltmeister den gestrigen Untergang hätten verhindern können.
(Foto: AFP)