Congratulazioni – Eine Würdigung des neuen Europameisters aus Italien
Mit Italien triumphiert der verdiente Champion am Ende der EURO 2020. Wir blicken zurück auf den Sieg der Squadra Azzurra.
Ein paar Parallelen gibt es zu Italiens Weltmeister-Titel von 2006. Wieder musste man in einem echten Hexenkessel nicht nur gegen den euphorisierten Gastgeber, sondern auch gegen über 60.000 gegnerische Fans bestehen. Schlugen die Italiener Deutschland 2006 im Halbfinale in Dortmund, so mussten sie diesmal gegen England bei dessen „Quasi-Heim-EM“ im Finale von Wembley antreten.
Und wieder konnten die Italiener sich auf eine bärenstarke Defensive verlassen. Wuchs damals Fabio Cannavaro über sich hinaus und wurde im gleichen Jahr zum Weltfußballer gewählt, so war die Rolle des umsichtigen Abwehrorganisators diesmal auf das jetzt schon kultige Duo Bonucci/Chiellini verteilt. Dahinter rangierte damals Gianluigi Buffon, diesmal mit Namensvetter Donnarumma dessen nicht minder talentierter Nachfolger.
Doch es gibt auch Unterschiede zu den 2006er Weltmeistern. Einen „Denker und Lenker“, ein klares Oberhaupt im Mittelfeld, so wie es seinerzeit Andrea Pirlo war, hat dieses Team nicht. Stattdessen war nicht nur das Toreschießen und das Verteidigen, sondern auch die Kreativarbeit komplett auf sämtliche Schultern verlagert. Dies umfasst nicht nur Eins bis Elf, sondern den gesamten Kader. Denn außer dem dritten Torwart Alex Meret sind tatsächlich sämtliche Spieler zum Einsatz gekommen. Dabei lieferte das Team, das verschiedenste Generationen und Typen vereinte, ein derart harmonisches und sympathisches Bild ab, dass es einem bei jedem Tor und jedem Sieg, den die Italiener feierten, erneut warm ums Herz wurde.
Belgien und Spanien – Italiener haben die Schwergewichte rausgeworfen
Dies könnte als ein weiterer Unterschied zu den 2006er-Legenden betrachtet werden, denn das damalige selbstgefällige Auftreten eines Marco Materazzi war nicht jedermanns Sache. Auch ein derart unschönes Weiterkommen, wie es Italien damals im Achtelfinale gegen Ghana hatte – ein geschenkter Elfmeter kurz vor Schluss machte die Sache klar – verzeichnen die Azzurri von 2021 nicht. Stattdessen spielten sie eine unfassbar dominante Vorrunde und bestanden mit Belgien und Spanien während der KO-Phase auch gegen die Schwergewichte des Turniers und siegten jeweils verdient.
Mit dem gestrigen Finale gab das Team von Roberto Mancini dann auch buchstäblich sein Meisterstück ab. Die Engländer hatten den Favoriten gleich in der zweiten Minute mit einem Konter kalt erwischt. Stürmerstar Harry Kane ließ sich unglaublich tief fallen, gab eher einen 10er als einen Mittelstürmer und machte seine Sache derart gut, dass Italien in der kompletten ersten Halbzeit keinen Zugriff auf das Spiel bekam. In solchen Phasen beweisen sich echte Champions. Denn Italien fand nach der Pause ins Spiel zurück.
Ausgerechnet Chiellini und Bonucci sind am Ausgleich beteiligt
Mancini nahm die richtigen Wechsel vor. Barella, der an diesem Tag nicht zu seiner Form fand, tauschte er gegen den grundsoliden Cristante aus. Mittelstürmer Ciro Immobile, der keine Bindung zum Spiel gefunden hatte, nahm er ebenfalls raus und brachte mit Berardi einen nicht ganz so offensiven Mann, der dafür mehr am Spiel würde teilnehmen können. Die Italiener spielten plötzlich wieder viel flexibler. Insigne und Chiesa wechselten immer wieder die Seiten und brachten die Engländer zusehends in Schwierigkeiten.
Dass ausgerechnet Chiellini und Bonucci maßgeblich am Ausgleich beteiligt waren, ist für Bewunderer dieser Mannschaft fast zu schnulzig, um wahr zu sein. Die Auswechslung des bärenstarken Chiesa kurz vor Ende der regulären Spielzeit war mit großer Sicherheit nicht freiwillig. Der Flügelstürmer hatte sich offenbar leicht verletzt. Doch mit Bernardeschi gab es eben eine adäquate Alternative im Kader. Jener Bernardeschi war auch einer der wenigen Spieler, die am Ende einen Elfmeter verwandeln konnten.
Dass Italien sich im Shootout dann auf seinen Weltklasse-Torhüter verlassen konnte – der nach der entscheidenden Parade herrlich weggetreten und vollkommen in der eigenen Welt wirkte – macht die letzten paar Prozent aus, die ein verdienter Europameister braucht. Danke Italien, für dieses beeindruckende Turnier!
(Foto: AFP)