Borussia Dortmund – Saisonrückblick 2019/20
„Mit vollen Hosen lässt sich gut stinken“, entgegnete Dortmund-Manager Michael Zorc zuletzt in Richtung Uli Hoeneß. Das Bayern-Urgestein hatte mal wieder der Polemik freien Lauf gelassen und den Dortmundern attestiert, sie böten ihre besten Spieler zum Verkauf. Inwieweit der BVB allerdings die Hosen des Branchenprimus füllt, ist noch die Frage. In der vergangenen Saison war es wieder mal nur die Vizemeisterschaft. Ein weiteres gutes Jahr mit vielen Punkten und oftmals attraktivem Fußball, doch für einen ernsthaften Angriff auf die Ligaspitze scheint es auf absehbare Zeit nicht zu reichen. Da hilft es nicht, dass eigentlich nie wirklich Ruhe in den Verein einkehrt.
So grüßt jährlich das Murmeltier, wenn sich wieder mal ein Offensivspieler nach einigen gelungenen Spielen zu gut für Dortmund wähnt und allzu laut mit Wechselabsichten kokettiert. Trainer Lucien Favre hingegen hat noch nie erklärt, dass er wegmöchte. Doch scheint seine Position trotz unbestrittener Kompetenz und einem hohen Punkteschnitt nie gefestigt. Nach einer Unentschieden-Serie zu Saisonbeginn mit späten Gegentoren schien der Übungsleiter in der öffentlichen Wahrnehmung schon kurz vor der Entlassung. Mit dem entsprechenden Druck wurde das Team wieder erfolgreicher und nahm Kurs auf Platz 2.
Gewinner der Saison
Wurde jemals ein Transfer in der Bundeliga medial so zelebriert wie der von Erling Haaland? Schwer zu sagen. Nachdem er im Winter aus Salzburg ins Dortmunder Trainingslager angereist war, wurde jede Bewegung, jedes Wort von ihm genauestens analysiert. Solch hohe Erwartungen sind eigentlich prädestiniert, um an ihnen zu scheitern. Der Norweger mit den weichen Gesichtszügen jedoch lieferte ab. 1:3 lag der BVB in Augsburg hinten, als Haaland erstmals in der Bundesliga eingewechselt wurde. Der Rest ist Geschichte. Haaland, das schien klar, würde dem BVB nicht nur mit seinen Toren weiterhelfen, sondern auch mit seiner kompletten Ausstrahlung. Mit rausgestreckter Brust und ausgebreiteten Armen lief er über den Platz. Ein Siegertyp, der hoffentlich das benötigte Selbstbewusstsein in die Mannschaft tragen würde, das dem BVB gelegentlich fehlt.
Verlierer der Saison
Es ist nicht so, als seien Jaden Sanchos Werte nicht erneut überragend. 17 Tore und ebenso viele Vorlagen. Aufstellung mehrerer Rekorde. Der Tempodribbler könnte eine ganz große Karriere hinlegen. Die Frage ist, ob er auch die Mentalität dazu hat. Es gibt genügend Fußballer, die die Weltspitze nicht erreichen, weil die Beine deutlich talentierter sind, als der Kopf. Man frage nach bei Ousmane Dembele. Sancho machte sich mit seinem Verhalten nicht nur Freunde. Dekadentes Champagnerspritzen im Privatjet und attestierte Trainingsfaulheit passen nicht so recht zum Malocher-Image, mit dem der Verein der „Echten Liebe“ so gern hausieren geht. Ebenso wenig das der dauerhafte Eindruck, Sancho finde sich im Grunde zu gut für den BVB. In den Schlüsselpartien gegen die Bayern oder in Paris sah man dafür zu wenig. Aktuell wird der Engländer immer wieder mit Manchester United in Verbindung gebracht.
Höhepunkt der Saison
Die Ankunft des jungen Messias – der Rückrundenauftakt in Augsburg. Die Borussia wurde von den Hausherren fast schon vorgeführt, bis Erling Haaland die Bühne betrat und das Drehbuch umschrieb. Drei Tore schenkte er den tapferen Augsburgern ein, Sancho legte eins drauf. Für so ein Team, dachte man, ist kaum etwas unmöglich. Die ohnehin schon ausgebrochene Euphorie schoss in ungeahnte Höhen. Haaland traf in den folgenden Spielen weiter regelmäßig und die Meisterschaft schien möglich.
Tiefpunkt der Saison
„Wir müssen Kerle sein“, forderte Michael Zorc vor dem Spitzenspiel beim FC Bayern und präzisierte: „Wir müssen Männerfußball spielen“. Es ist nicht vollständig geklärt, was „Susi“ damit gemeint hat, doch die Leistung, die der BVB anschließend in München hinlegte, dürfte der Manager auf keinen Fall im Sinn gehabt haben. Wieder mal präsentierte man sich saft- und kraftlos beim großen Rivalen. Zwar gewannen die Münchener „nur“ mit 4:0, womit die Klatsche schonmal um ein Tor geringer ausfiel als im Vorjahr. Doch verfestigte sich wieder der Eindruck: Für den BVB reicht es nicht bis ganz nach oben.