Wisst ihr noch? Die Aufstiegsklasse von 1997 #2: Hertha BSC Berlin
Die „Aufstiegsklasse“ von 1997 hat die Bundesliga nachhaltig geprägt. Gestern haben wir auf den FC Kaiserslautern geschaut, der direkt nach dem Aufstieg die Meisterschaft geholt hat. Heute ist Hertha BSC Berlin dran, die mittlerweile zum festen Inventar des Fußball-Oberhauses zählt.
In der ersten Hälfte der 90er Jahre hatte das wiedervereinte Deutschland keinen Hauptstadtverein in der 1. Bundesliga. Umso größer war die Euphorie, als Trainer Jürgen Röber mit dem Team den Aufstieg perfekt machte. Nach einigen Startschwierigkeiten hatten sich die Berliner Mitte der Hinrunde endlich an die Gangart des Oberhauses gewöhnt. Als Torjäger Michael Preetz sich im Sturmzentrum festgespielt hatte, lief es. Auch der ungarische Torwart Gabor Kiraly wurde zu einer Kultfigur, da er stets in einer schlabberigen grauen Jogginghose spielte.
Dem soliden elften Platz im Debütjahr folgte ein sensationeller dritter Platz in der zweiten Saison. Dies bedeutete dank des mittlerweile gängigen Modus die bislang einzige Champions-League-Teilnahme der Hertha. Im Berliner Olympiastadion, wo wenige Jahre zuvor noch der SV Meppen begrüßt wurde, gab sich nun der FC Barcelona die Ehre. Der heutige Manager Michael Preetz bezeichnete das Gastspiel der Katalanen in einem nebelverhangenen Novembertag als das größte Spiel seines Lebens.
Hertha attraktiver als der FC Bayern
In den Folgejahren wurde die Hertha eine feste Größe in der Bundesliga. Sechsmal in den kommenden sieben Jahren landete der Hauptstadtklub mindestens auf Platz 6. Spieler wie Marcelinho brachten spektakulären Fußball in die Hauptstadt. Vereinsikone Pal Dardai erzählte, als er viel später Cheftrainer der Hertha war, dass er damals ein Angebot vom FC Bayern ausgeschlagen habe, da ihm die Perspektive in Berlin attraktiver schien.
Der einzige Wermutstropfen: Bis heute gelingt es der Hertha fast nie, das zugegebenermaßen riesige Olympiastadion zu füllen. Beim Kameraschwenk über die Tribünen sind stets viele freie Plätze zu sehen. Die Laufbahn um das Spielfeld sorgt für zusätzliche Distanz. Spötter feixen seit jeher, dass der Klub seiner kosmopolitischen Heimatstadt nicht wirklich gerecht werde und über eine graue Durchschnittlichkeit nicht herauskomme. Die Heterogenität Berlins ist dabei sicherlich auch nicht immer unkompliziert. Die verschiedenen Kieze werden oftmals behandelt wie eigene Städte. Ein großer Klub, der dies alles unter sich versammeln will, hat deshalb seit jeher Akzeptanzprobleme.
2009 sah es lange so aus, als könne die Hertha unter Coach Lucien Favre den Titel gewinnen. Raffael spielte geniale Pässe, Voronin schoss Tore am Fließband und Drobny hielt hinten, was zu halten war. Nach einem schwachen Endspurt reichte es nur noch zu Platz 4 und im Folgejahr kehrte das Chaos ein. Favre wurde nach nur wenigen erfolglosen Spielen entlassen und plötzlich ging alles schief. Als Tabellenletzter stieg die Hertha ab. Dem direkten Wiederaufstieg folgte ein erneuter Abstiegskampf und Hertha wurde teils schon zur neuen Fahrstuhlmannschaft erklärt.
Unwürdiger Relegations-Nachklang
Schließlich ging eine denkwürdige Relegation gegen Fortuna Düsseldorf verloren. Die Fortuna-Fans stürmten dabei zu früh den Platz, als sie fälschlicherweise glaubten, den erlösenden Schlusspfiff gehört zu haben. Die alternde Trainer-Ikone Otto Rehhagel, von Hertha als „Feuerwehrmann“ verpflichtet, berichtete in einem unwürdigen Nachklang von „Halbangst“ und sprach buchstäblich vom Kriege. Auch der zweite Abstieg wurde umgehend repariert. Von 2015 bis 2019 schien Pal Dardai auf dem Trainerstuhl Kontinuität zu schaffen und die Hertha im Ligamittelfeld zu etablieren. Doch in Berlin sind die Ambitionen nun mal traditionell höher. Im vergangenen Jahr wurde Hertha BSC wieder zum Objekt der Spötter durch die einmalige Episode Klinsmann.
(Foto: AFP)