Adeus, Diego! Der beste Fußballer der Nuller-Jahre beendet seine Karriere
Diego Ribas da Cunha hat seine Karriere beendet. Seine Zeit in Deutschland wird kein hiesiger Fußballfan vergessen, der damals schon zusehen durfte. Eine Huldigung an ein fußballerisches Genie.
Irgendwann hatte Klaus Allofs die Beschwerden aus München satt, dass doch die hochdekorierten Bayern-Stars wie Toni und Ribery besser durch die Schiedsrichter geschützt werden sollten. „Was sollen wir denn sagen? Wenn Diego an den Ball kommt, ist die erste Aktion gegen ihn eigentlich immer ein Foul“, stellte der Werder-Manager klar.
Und tatsächlich: In einem handelsüblichen Bundesligaspiel war Diego eigentlich immer eine Klasse besser als die übrigen Spieler auf dem Feld. Seine runden Bewegungsabläufe, die Art, wie er den Ball kontrollieren konnte. Das war immer eine Spur selbstverständlicher, ein Stück intuitiver als bei seinen Gegenspielern. Fußball war Diegos Muttersprache.
Mit nur 21 Jahren stieß Diego 2006 zu Werder Bremen. In Brasilien hatte er als großes Talent gegolten, doch beim FC Porto waren die Fußstapfen von Deco zu groß für ihn erschienen. Riesengroß waren auch die Fußstapfen an der Weser, denn hier sollte er niemand geringeres als Johan Micoud ersetzen. Nachdem das umjubelte Offensiv-Trio Ailton/Klasnic/Micoud die Grün-Weißen 2004 in beeindruckender Manier zur Meisterschaft geschossen hatten, war erst „Kugelblitz“ Ailton nach Schalke und anschließend Spielmacher Micoud nach Frankreich abgewandert.
Ein Meisterstück von Werders Führungsduo Thomas Schaaf und Klaus Allofs, mit Miroslav Klose und Diego ein neues kongeniales Trio aufzubauen. Bei Diego war das Investment noch etwas ungewisser als bei Klose, doch das Zusammenspiel funktionierte belendend und beide erlebten in den folgenden Jahren die wohl spielerisch beste Zeit ihrer Karriere. Der SV Werder spielte zeitweise Fußball wie vom anderen Stern. Unterstützt von weiteren Leistungs-Säulen wie Borowski, Baumann, Ernst oder Frings konnten die Offensiv-Künstler sich frei entfalten.
„Für die meisten Mannschaften ist es etwas ganz besonderes, in einem Spiel mal fünf Tore zu erzielen. Wir machen das häufiger“, ließ sich der eigentlich stets wohltemperierte Thomas Schaaf einmal zu einer kecken Ansage hinreißen. Im Zentrum des bunten Treibens stand immer Diego. Er gab den Takt vor und er brach aus dem Takt aus, wenn er es für richtig hielt. Seine Technik, seine Übersicht und auch seine Abschlussstärke waren für jeden Gegner eine nicht zu neutralisierende Gefahr.
Mehr als nur ein 64-Meter-Tor
Bei vielen bleibt vor allem sein 64-Meter-Tor gegen Alemannia Aachen im Gedächtnis, doch man tut ihm unrecht, reduziert man ihn lediglich auf diesen einen – zugegeben gut platzierten – Schuss in ein leeres Tor. Er hat doch so viel mehr zu bieten. Ob Freistoß-Tore, Absatz-Kicks oder mal ein Zuspiel mit dem Rücken: Für Diego schien keine Aktion zu weit hergeholt. Mit einer traumwandlerischen Selbstverständlichkeit tat er mit dem Ball, was eben grade getan werden musste. Ein Highlight-Video von Diego anzuschauen, ist niemals vergebene Zeit.
Auch wenn noch mehr Titel möglich waren, verabschiedete er sich mit dem DFB-Pokal 2009 aus Bremen. Im selben Jahr stand man auch im Finale des UEFA Cups doch Diego durfte nicht mitspielen. Sein Landsmann Alex Silva hatte in Diensten des HSV im Halbfinal-Rückspiel eine Schubserei begonnen, in deren Anschluss der Schiedsrichter ein wenig zu undifferenziert beiden Gelb zeigte.
Diego war damit für das Finale gesperrt. Mutmaßlich war dies eine bewusste Provokation, um den genialen Offensivmann zu demoralisieren. Dem HSV nutzte es nichts, denn beim 3:2-Sieg Werders war Diego wieder mal der entscheidende Akteur. Doch im Finale waren die Hanseaten ihres spielerischen Herzstücks beraubt. Bieder auftretend verlor das Team mit 1:2 gegen Schachtar Donezk.
Mit dem Talent war er geboren, die Qualität hatte er sich erarbeitet. Doch eine der wichtigsten Eigenschaften, für die Diego Respekt gebührt, war die Fähigkeit, sich von all den kleinen Tritten, Provokationen und Nickligkeiten, mit denen überforderte Gegenspieler ihn aus dem Bahn werden wollten, nicht beeindrucken zu lassen. Diego spielte einfach weiter Fußball und ihm dabei zuzusehen, war eine wahre Freude.
Foto: AFP